Montag, 17. November 2008

LILITH



Berlin, den 17.11.2008

LILITH







Zu Lilith.

Wer war Lilith?

Eine Einführung aus mythologischer Sicht

Lilith war die erste Frau Adams, was viele Bibelanhänger nicht einmal (mehr) wissen, denn ihre Herkunft und ihr Verbleiben wird auch hier gerne totgeschwiegen.
Soweit mir bekannt ist, wird sie im Neuen Testament nur einmal erwähnt.
Wenn man sich auf die Suche nach Lilith’s Wurzeln begibt, muss man tiefer graben.
In alten sumerischen, babylonischen, israelischen oder auch islamischen Schriften wird man dann fündig werden.
Sie taucht unter verschiedensten Namen auf: Lilith, Li Lu, Lilitu, Ischtar, Lamaschtû, Inanna sind allesamt Abwandlungen der Lilith, die wir hier behandeln.
Einige glauben auch in Elisabeth, der Mutter von Johannes dem Täufer, eine Anspielung auf Lilith in der Bibel zu erkennen.


Lilith war, im Gegensatz zu Eva, Adam ebenbürtig. Sie wurde nicht wie Eva aus Adams Rippe ‚geschnitzt’, sondern wurde von Gott – wie Adam – aus Erde erschaffen.
Genau genommen soll Lilith schon vor Adam im Garten Eden gewesen sein, aber – ganz im Sinne von Lilith – darum geht es nicht.

Es sollten Mann und Frau sein im Paradies. So schuf Gott Mann und Frau im Garten Eden.

Allerdings hielt das Paradiesische zwischen Lilith und Adam nicht allzu lange an, denn es entstand alsbald ein unlösbarer Streit zwischen den Beiden, denn Adam verlangte, dass Lilith ihm unterlegen solle. Lilith aber konnte das nicht verstehen und versuchte Adam verständlich zu machen, dass sie nicht unter ihm liegen müsse, weil sie - wie er selbst - aus der gleichen Erde geboren, und aus dem gleichen Lehm von Gott geknetet worden war.

Schon im Paradies gab es also den Streit wer ‚oben liegt’...*))

Um diesem unlösbaren Konflikt ein Ende zu setzen, und dem ewigen Streit mit Adam zu entgehen, zog Lilith es vor ins Exil zu gehen.
Sie zog hinaus in die Einsamkeit der Wüste, und ließ Adam allein im Garten Eden zurück. Da Adam es im Gegensatz zu Lilith nicht ertagen konnte, allein zu sein, stellte ihm Gott alsbald Eva zur Seite. Geschnitzt; geboren aus Adams Rippe, um sicher zu gehen, dass es von nun an im Garten Eden keinen Streit mehr darum geben würde, wer wo und wann oben liegt.

Aber dann kam die Schlange.
Die Versuchung.
Die Sünde.
Die Erkenntnis...
....und wieder: Lilith.

Um Lilith’ Verbleiben nun ranken sich viele Mythen.
In einigen Schriften wird geschildert, dass sie vom Hunger und Durst des Wüsten-Lebens geplagt, dem Wahnsinn verfiel, und damit zu einem kinderfressenden Dämon wurde.
Sie wird auch beschrieben als ein geflügeltes Ungeheuer, mit Klauen einer Eule anstelle von Füssen versehen, meist begleitet von einem Löwen und einer Eule.
In den Zeiten der Hexenverfolgungen wurden dem Dämon Lilith incubistische Fähigkeiten (= Incubus & Succubus) zugeschrieben. So wurde sie z.B. als Verursacherin von nächtlichen Samenergüssen angesehen.



Lilith ist ein Teil der grossen Ur-Mutter.
Lilith verkörpert einerseits Weiblichkeit, Fruchtbarkeit, das Nährende.
Die mondhaften Göttinnen, Diana, Artemis, Gaia, Juno, Isis, Hera, Aphrodite, die griechische Cloris oder die römische Flora sind nur einige Abwandlungen ihrer nährenden, fruchtbaren Seite.

Lilith ist auch die grosse Verführerin, das sinnlich Weibliche schlechthin, die grosse Hure, die Femme Fatale. Die Hure Babylon, Salome, Aphrodite, Venus, Lulu, Lolita, Ischtar, Volupta sind hier Stell-Vertreterinnen.

Lilith beherbergt aber auch die ‚dunkle’ Seite der Weiblichkeit.
In ihren Lamaschtû-Aspekten zeigt sie sich dann von ihrer zerstörerischen Seite. Gestalten wie Lachesis und ihre Schwestern Klotho und Atropos, welche zusammen die drei Moiren bilden, Medusa, Medea, die Hure Babylon können hier herangezogen werden, um diesen Aspekt der Lilith zu verdeutlichen.



Wer sich ein wenig mit Mythologie beschäftigt, wird hier erkennen, dass die Grenzen fliessend sind.
Venus, Medea, die Hure Babylon sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen, dass Lilith immer in ihrer Zweideutigkeit, in ihrer Dualität wahrgenommen werden muss.
Medea z.B. ist ein Synonym für die Heil- und Kräuterkundige, für starke Weiblichkeit und weibliches Selbstbewusstsein. Aber ebenso zeigt sich ihr zerstörerischer, hysterischer Aspekt in der Mythologie, als Medea in einem Anfall aus Eifersucht Rache an ihrem untreuen Ehemann nehmen will, indem sie die gemeinsamen Kinder umbringt.

In der Astrologie wird diese Dualität durch eine Achse gekennzeichnet. So wie auch Aszendent und Deszendent, Immum Coeli und Medium Coeli, Aufsteigender und Absteigender Mondknoten untrennbare Pole in einem Horoskop bilden, hat auch Lilith ihren ergänzenden Pol. Ihre Achse ist Lilith/Priapus.

Ich bin äusserst erfreut darüber, dass heutzutage auch deutschsprachige Astrologie-Software-Entwickler Lilith als einen so bedeutsamen Faktor ansehen, dass zumindest die mittlere Lilith-Position in jeder neueren Version berechenbar ist.
Die sogenannte ‚wahre’ Lilith folgt einer äusserst exzentrischen Umlaufbahn, so dass sie zwar in den Ephemeriden zu finden ist, aber von vielen Programmen nicht berechnet wird. Genauso wie die deutsche Software gänzlich auf den gegenüberliegenden Pol von Lilith, auf Priapus, zu verzichten scheint. Mir ist zumindest keine deutschsprachige Software bekannt, welche die Achse Lilith/Priapus berechnet.


Priapus ist, wie schon erwähnt, der gegenüberliegende und damit ergänzende Pol von Lilith.
Eros, Amor, Narziss, Merlin, Luzifer, Peter Pan, Dionysos sind hier einige Beispiele um sich ein Verständnis, ein Bild von Priapus machen zu können. Priapus ist der griechischen Mythologie nach der Sohn von Aphrodite und Dionysos.

Priapus (= griechisch Priapos) ist ein Gott der Fruchtbarkeit. Er wurde auch als Schutzgott für Vieh, Früchte und Wein angesehen. Er wird auf Bildern oder in Form von Statuen mit einem übergrossen, erigierten Penis dargestellt, er ist das Phallussymbol schlechthin.
Ihm zu Ehren wurden Opfer-Rituale abgehalten, um eine reiche Ernte, Kindersegen (vermehrt bei seinem römischen Pendant Mutinus Mutunus), und wohlschmeckenden Wein zu garantieren.

Natürlich hat auch das männliche Gegenstück zu Lilith seinen Schatten. Das Dunkle, die Schattenseite von Priapus drückt sich in einer übermässigen Triebsteuerung aus, im Dionysischen allgemein: einem starken Hang zur Berauschung. Auch ein ständiger Zeugungsdrang, nur um der Zeugung willen ist hier zu beobachten, wenn er seine Mitte verloren hat. Er kann in seiner ‚negativen’ Ausprägung einem andauerndem Aktionsdrang unterworfen sein, welcher ihn dann letztlich mehr zu einem Packesel macht, als zu einem feinsinnigem Arbeiter.


Im Horoskop nun bezeichnet die Achse Lilith/Priapus gleichzeitig einen Spiegel und einen blinden Fleck. Wenn wir uns dieser Achse nähern, sollten wir das mit Achtsamkeit, Ehrlichkeit und der diesen Göttern und Dämonen gebotenen Ehrfurcht tun.
Ähnlich wie bei der Kundalini im Yoga haben wir es hier mit einer äusserst intensiven Kraft zu tun. Eine Kraft, die katalytisch ist, die uns untergehen oder aber aufsteigen lassen kann. Manchmal sogar beides zugleich.

Ich werde hier demnächst anhand eines Beispiel-Horoskops diese Achse interpretieren und besprechen, falls Interesse besteht.



Für diejenigen, die sich mit Tarot beschäftigen, wird Lilith in der II, der III, der XI (= Lust im Crowley-Tarot), der XVII und der XXI zu finden sein. Priapus finden wir zB in der O, der I, der IV, der V, der VII, der XI, der XV.
Die beiden sich ergänzenden Pole können wir im VI., im XI., im XIV. und im XIX. Atu finden.

Ich möchte hier gerne ein Zitat aus ‚The Book of Thoth’ von Aleister Crowley einschieben : ‚Die grundlegende Häresie der Schwarzen Loge ist Verachtung für die Welt, das Fleischliche, und den Teufel, die alle für den Plan des Universums wesentlich sind, es ist die vornehmlichste Aufgabe des Adepten, im grossen Werk seine Angelegenheiten so zu ordnen dass selbst die schädlichsten Keime der Materie den nutzvollen und guten Anlagen ähnlich werden.’

Will sagen, dass wir jenem die grösste Macht geben, was wir am meisten zu verteufeln und bekämpfen suchen.
Wenn uns z.B. ein Übergewicht plagt, und wir eine Diät planen, geben wir der Nahrung meist ein überdimensionales Gewicht, so dass sich unsere Gedanken andauernd um das Essen und die Nahrungsaufnahme kreisen. Folglich wird es uns immer schwerer fallen tatsächlich an Gewicht zu verlieren, selbst wenn wir uns vom Plan her strikt an die jeweilige Diät halten.

Bei Lilith/Priapus wird man sich nur im Kreis drehen, und wird sich dabei immer mehr verzetteln und im schlimmsten Falle zerfleischen, solange man (seine eigenen) Schatten-Anteile ablehnt, sich ihnen verweigert, sie zu kontrollieren sucht, oder auch sie stellvertretend im Gegenüber bekämpft, was hier vorzugsweise getan wird.

Das soll natürlich keine Aufforderung sein, dass wir z.B. im Falle einer Diät nun alles masslos in uns hineinstopfen, oder aber umgekehrt uns der Nahrung völlig verweigern und hungern sollen (Bulimie, Mager- und Fresssucht sind kennzeichnend für Lilith/Priapus). Sondern wir sollten versuchen herauszufinden was der Grund, die Ursache dafür ist, dass Gewicht und Nahrungsaufnahme so bestimmend für uns sind.

Ausgezeichnet auch in der Welt der Homosexuellen zu beobachten. Da, wo das Weibliche am meisten abgelehnt und bekämpft wird, wird ihm zugleich die größtmöglichste Macht eingeräumt.

Diese Analogien kann man nun endlos fortsetzen. Wir finden diese Extreme überall.

Da sich Lilith wie gesagt immer in ihrer Polarität, in ihrer Dualität ausdrückt, werden wir unweigerlich dem gegenüberliegenden Pol verfallen, sobald wir den einen Pol verteufeln, abkapseln, ausklammern.
Geradezu wie wir es kaum verhindern können ebenso tief einzuatmen, wie wir ausatmen, werden wir Lilith als Bumerang erleben, wenn wir versuchen sie totzuschweigen, zu bekämpfen, zu vernichten.
Oder aber wir werden einfach ab-sterben.



Ich hoffe, dass ich mit dieser Einleitung dem einen oder der anderen eine Ahnung davon vermitteln konnte, worum es sich bei Lilith handelt.
Lilith ist nicht ausschließlich durch Worte zu begreifen, und schon gar nicht auf einer analytischen Ebene. Ähnlich wie bei Neptun und Pluto muss man sich tief in ihr Reich begeben, um sie auch nur erkennen zu können.




Priapus, sich selbst wiegend:



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